Platz für neue Perspektiven

 

Drei weiße Wände in Kalk warten darauf, gestaltet zu werden

Ob mit Bildern, Kommentaren oder Graffiti: Auf den Leinwänden können Bürger Statements zu ihrer Umgebung festhalten

VON TOBIAS NEUHAUS

Walbrodt (v.l.), Marco Jesse, Nina Marxen und Gudrun KirchKalk – Verbotene Früchte sollen ja auch ganz gut schmecken. Darüber gerät der Künstler Walbrodt kurz vor der Einweihung des von ihm mitentwickelten Projektes „Achtung Verachtung“ noch einmal ins Grübeln. „Achtung! Frisch gestrichen“, mahnt ein Zettel neugierige Passanten, der am Platz der Kalker Post aufgestellten und weiß leuchtenden Wand nicht zu nah zu kommen. Ob die Warnung den Reiz, etwas darauf zu malen, vielleicht sogar noch erhöht? Aber am Ende, befürchtet Walbrodt, traut sich überhaupt niemand ran an die Wand – dabei möchte er ja genau das erreichen: „Die Leute sollen hier ihre Spuren hinterlassen.“ Also verschwindet der Warnhinweis schnell in seiner Tasche.

Die etwa drei mal fünf Meter große Wand ist eine von insgesamt drei Exemplaren, die in Kalk stehen. Die beiden anderen sind am Ottmar-Pohl-Platz und an der Trimbornstraße aufgestellt. Die Idee des Projektes, das Walbrodt in Zusammenarbeit mit der Malerin Nina Marxen durchführt, ist, dass jeder, der möchte, die leeren Flächen als Leinwand nutzen und hier seine Sichtweise auf die Umgebung, auf den jeweiligen Standort dokumentieren kann. Das können geschriebene Kommentare sein, Graffiti, Zeichnungen oder sonstige Darstellungen. Fantasie und Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. „Es kann natürlich auch sein, dass alles mit Plakaten von Ü-30-Partys zugepflastert wird“, so Walbrodt, „aber das wäre dann halt so. Entscheidend ist, dass auf den Wänden neue Perspektiven entstehen.“

Öffentliche Projektionsfläche

Das Experiment einer öffentlichen Projektionsfläche, einer Leinwand für alle also, auf der persönliche Statements zur Umgebung dokumentiert werden, soll an den Standorten unterschiedlich begleitet werden. Die Wände an der Kalker Post und am Ottmar-Pohl-Platz werden von der Malerin Nina Marxen betreut. Sie wird Passanten dort ermutigen, die Flächen zu bearbeiten, wird Gruppen und Schulklassen einladen und das Mosaik einzelner Beiträge schließlich malerisch zu einem Gesamtbild verbinden. Die Wand an der Trimbornstraße hingegen soll völlig sich selbst überlassen bleiben.

Veranstalter des Kunstprojektes ist die Drogenberatungsstelle Junkie Bund Köln in Humboldt-Gremberg. Mit dem Engagement verbunden ist die Hoffnung, über die neuen Perspektiven, die auf den Leinwänden entstehen sollen, eine veränderte Sicht auf verrufene Orte und ausgegrenzte Milieus anzuregen. „Die Wände sollen ein Impuls sein, ein allgemein verachtetes Umfeld mit anderen Augen zu sehen und zu zeigen, dass es sich verändern lässt“, so Axel Hentschel, Projektleiter beim Junkie Bund.
„AchtungVerachtung“ wird von der Stiftung KalkGestalten unterstützt und ist von dieser zudem zum Leuchtturmprojekt erkoren worden. „Damit wollen wir die besondere Signalwirkung hervorheben“, betonte Stiftungsmitglied Gudrun Kirch zur Eröffnung.
Das Projekt soll über vier Wochen laufen. Danach werden die Wände abmontiert und in einer Abendveranstaltung ausgestellt und diskutiert. Vorausgesetzt, die frische weiße Farbe schreckt nicht vom Übermalen ab.

www.vision-ev.de
www.walbrodt.org
www.aufgemalt.de
www.kalkgestalten.de

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