Offener Brief / Stellungnahme zu Köln-Kalk-Verbot

 

Offener Brief

2016-12-06-ksta-kalk-verbot-web

Stellungnahme zu Artikel in Kölner Stadt-Anzeiger über Köln-Kalk-Verbot

In ihrem Beitrag berichten sie davon, dass von den „Kalk-Verboten“ Menschen betroffen sind, die „mehrfach wegen allerlei Delikten polizeilich in Erscheinung getreten sind…“ Dies entspricht unseres Wissens nach nicht den Tatsachen. Dies möchte ich beispielhaft nur aus einem der betroffenen Fälle darstellen.

Keine Straftaten

Der vom Aufenthaltsverbot betroffene Drogenabhängige erhielt das Kalk-Verbot aufgrund von 5 Vorkommnissen in der Zeit zwischen September und Mitte November diesen Jahres. Alle einzelnen Vorkommnisse sind uns detailliert bekannt. In keinem dieser Fälle wurde eine Straftat begangen. Er hielt sich lediglich „in Gegenwart anderer Personen, die der Drogenszene zugehörig sind, auf der Platzfläche vor dem Kalker Rathaus“ auf.

Vertreibungspolitik

Hier wird äußerst deutlich, welche ordnungspolitische Strategie die Polizei aktuell verfolgt. Es geht im Kern darum, drogenabhängige Menschen aus dem Stadtbild zu vertreiben und ihnen den Aufenthalt im öffentlichen Raum möglichst unbequem zu machen.

Diese Vertreibungspolitik wird nochmals unsinniger, bedenkt man dabei, dass ca. 50 % der Drogenkonsumenten in Kalk ohne festen Wohnsitz sind, in Notunterkünften oder in prekären Wohnverhältnissen leben. Sie führt lediglich zu einer Verschiebung von etwaigen Problemlagen in andere Bereiche Kölns. Zudem führt der erhöhte Vertreibungsdruck zu einer Eskalation in der gesundheitlichen und sozialen Lebenssituation der Betroffenen. Der Anspruch auf gesellschaftliche Teilhabe, den auch abhängige Menschen zweifellos haben, wird durch Aufenthaltsverbote, die im Falle von Kalk über 50 Straßen und Plätze umfassen (incl. nahezu aller Einkaufsmöglichkeiten, eines Großteils der Arztpraxen sowie des Kalker Krankenhauses) in Gänze ignoriert.

Mit uns hat keiner gesprochen

Nicht zuletzt will ich an dieser Stelle betonen, das keinesfalls wie von Inspektionsleiter Reischke behauptet, im Vorfeld mit allen Drogenhilfeeinrichtungen gesprochen wurde. Es gab zu diesem Thema keinerlei Kontakt zwischen uns und der Polizei. Von einer Befürwortung des Vorgehens unsererseits kann somit keine Rede sein! Im Gegenteil häufen sich bei uns Berichte unserer Besucher*innen und Klient*innen über unangebrachtes Verhalten bis hin zu körperlichen Übergriffen (insbesondere der zusätzlich eingesetzten Kräfte) der Polizei. Bei aller gebotenen Vorsicht, die wir bei der Bewertung entsprechender Berichte immer an den Tag legen, scheint hier einiges aus dem Ruder zu laufen.

Selbstverständlich sehen und verstehen wir das öffentliche Interesse nach Sicherheit und polizeilicher Präsenz. Dies darf jedoch im Gegenzug nicht dazu führen, dass Köln in Zeiten des „Junkie-Joggings“ zurückfällt, in denen die bloße Vertreibung Ziel des Handels war. Vielmehr braucht es in Kalk dringend wie auch von Seiten der Politik gefordert eine legale Konsummöglichkeit für diese Zielgruppe, der einerseits den öffentlichen Raum entlastet und gleichzeitig Hilfe und Unterstützung anbieten kann. Anders wird sich die Belastung für die Kölner (Kalker) Bevölkerung nicht spürbar reduzieren, sondern nur zeitweise an andere Stellen verschieben.

Zum Kommentar

Raus aus der Komfortzone“ ist der Titel des Kommentars der Autorin Beatrix Lampe. Bei allem Respekt – das ist Menschenverachtend! Sie äußern sich in ihrem Kommentar nicht über Schwerstkriminelle, die Bürger berauben oder gar gewalttätig sind – sie sprechen über Drogenkonsumenten, deren Lebensumstände in vielen Fällen geprägt sind von Abhängigkeit, Armut, Obdachlosigkeit und Stigmatisierung! Diese halten sich in der Öffentlichkeit auf, weil ihnen oft schlichtweg nichts anderes übrig bleibt. Von der Gesellschaft werden sie gemieden und ausgegrenzt, weshalb ihre einzigen Sozialkontakte vielfach andere Drogenabhängige sind. Nicht zu vergessen, dass Drogenabhängigkeit eine behandlungsbedürftige Erkrankung und kein persönlicher Makel ist.

Ich will nicht bestreiten, dass es immer wieder auch Probleme im öffentlichen Raum gibt, wenn Drogenkonsumenten und andere Bürger aufeinander treffen. Dennoch bleibt der öffentliche Raum eben genau das: öffentlich und solange keine Straftaten begangen werden, kann, darf und soll jeder Kölner diesen nutzen – auch Drogengebraucher. Es wäre bei weitem der bessere Weg, sich ein differenziertes Bild zu machen. Das ist nicht bequem, dazu muß man sich auseinandersetzen und ins Gespräch gehen. Aber es lohnt die Mühe, denn auf diesem Weg kann Vertrauen und gegenseitiges Verständnis wachsen und letztlich ein friedliches Miteinander entstehen.

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