Reaktion auf unseren offenen Brief

 

Nach unserer Stellungnahme (offener Brief) zum Zeitungs-Artikel vom 6.12.2016 im Kölner Stadt-Anzeiger über Köln-Kalk-Verbot erschien heute ein weiterer Leitartikel des Lokalteils „Mülheim, Kalk, Deutz“ des Kölner Stadt-Anzeigers.

Verdrängung befürchtet

BETRETUNGSVERBOT  Verein „Vision“ übt Kritik am Vorgehen der Polizei – Bereiche können individuell zugeschnitten werden

VON BEATRIX LAMPE

2016-12-15-ksta-verdraengungKalk. Die neue Praxis der Polizei, Straftäter und Personen, die zur Begehung von Straftaten beigetragen haben, mit einem Betretungsverbot für bestimmte Orte zu belegen, ist bei der Hilfseinrichtung „Vision, Verein für innovative Drogenselbsthilfe“ auf Kritik gestoßen. In einem offenen Brief, macht Geschäftsführer Marco Jesse seine Befürchtung deutlich, Köln könne mit dem Kalk-Verbot „in Zeiten des Junkie-Joggings“ zurückfallen, in denen „die bloße Vertreibung Ziel des Handelns war“.

Am Beispiel eines Betroffenen macht der Vereinssprecher deutlich, dass von den „Kalk-Verboten“ nicht nur Menschen betroffen seien, die „mehrfach wegen allerlei Delikten polizeilich in Erscheinung getreten sind.“ Jesse nennt als Beispiel einen Drogenabhängigen, der ein Kalk-Verbot aufgrund von fünf Vorkommnissen bekommen habe. In keinem dieser Fälle sei eine Straftat begangen worden; der Mann habe sich lediglich „in Gegenwart anderer Personen, die der Drogenszene zugehörig sind, auf der Platzfläche vor dem Kalker Rathaus“ aufgehalten.

„Die Vertreibung führt lediglich zu einer Verschiebung und zu einer Eskalation“
Marco Jesse

Jesse wirft der Polizei eine Vertreibungs-Strategie vor, die unsinnig sei, weil etwa die Hälfte der Drogenkonsumenten in Kalk ohne festen Wohnsitz seien. Die Vertreibung führe „lediglich zu einer Verschiebung“ und zu einer Eskalation in der Lebenssituation der Betroffenen. Sie könnten von Einkaufsmöglichkeiten, Arztpraxen sowie dem Kalker Krankenhaus ferngehalten werden.

„Vision“ sei nicht von der Polizei über die Pläne informiert worden, wird weiter beklagt. Hingegen häuften sich Berichte von Besuchern und Klienten über unangebrachtes Verhalten bis hin zu körperlichen Übergriffen der Polizei. Wegen der ihm bisher unbekannten Vorwürfe gegen seine Mitarbeiter hat sich Uwe Reischke, Leiter der Polizeiinspektion 8, mit dem „Vision“-Gesehäftsführer zu einem klärenden Gespräch getroffen.

Zum Vorwurf, der Verein sei nicht informiert worden, verweist Reischke auf die jüngste Sitzung des „Netzwerks Drogen“, in dem ein Mitarbeiter der Polizei das geplante Vorgehen mit dem Ziel, Drogendealer fernzuhalten, dargestellt habe. Teilnehmer des Netzwerks Drogen sind das beim Gesundheitsamt angebundene „Aufsuchende Suchtclearing“, Vermittler zwischen Repression und Hilfen, eine Kooperation zwischen dem Gesundheitsamt der Stadt, dem SKM und der Drogenhilfe Köln. Dieser Kreis habe das geplante Vorgehen begrüßt, schildert Reischke. Das Netzwerk erhoffe sich davon, dass sich Drogensüchtige dieser Strategie vermehrt annehmen, sagt der Inspektionsleiter.

Auch in der so genannten „Dienstagsrunde“ von Polizei- und Verwaltungsmitarbeitern sei das geplante Vorgehen dargestellt worden. Der Verein „Vision“ sollte wegen der besonderen Nähe zum Bezirksrathaus durch die Bezirksbeamtin persönlich informiert werden. Dies sei mittelbar über Vertreter des Aufsuchenden Suchtclearing erfolgt.

Reischke betont, „dass für meine Mitarbeiter und mich Süchtige kranke Menschen sind, denen geholfen werden muss. Die Aufenthaltsverbote richten sich gegen Personen, denen – meist wiederholter – Drogenhandel vorgehalten wird“. In dem von „Vision“ geschilderten Fall habe es sich um einen Betroffenen gehandelt, der als Anlaufperson aufgefallen sei – und dabei, wie er Konsumenten-Utensilien übergeben habe. Bereits das rechtfertigt laut Polizeigesetz ein Betretungsverbot.

Sinn der Anhörung zum beabsichtigten Aufenthaltsverbot sei, „dass die Betroffenen Gründe für einen Aufenthalt in dem beschriebenen Bereich benennen“, sagt Reischke. Werde die Betreuung in der Hilfeeinrichtung „Vision“ benannt, könne das berücksichtigt und der Verbotsbereich so geschnitten werden, dass „Vision“ erreicht werden könne.

In der „Netzwerk Drogen“-Sitzung am 22. Dezember werde die Polizei zum Betretungsverbot ausführlich Stellung nehmen, sagt Reischke und verweist auf die seit Jahren vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Stadt, Polizei und Hilfsangeboten für Drogenkonsumenten. Die Polizei werde die Reaktion auf die bisher 20 Betretungsverbote in Kalk und Porz abwarten und danach über eine Ausweitung entscheiden.

Den einen zu hart, den anderen nicht hart genug

Die Junge Union Porz bemängelt das von der Polizei als „Porz-Verbot“ betitelte Vorgehen gegen mehrfach aufgefallene randalierende Jugendliche als nicht ausreichend. Grundsätzlich sei es gut, dass die Polizei nach Wegen zur Lösung der zunehmenden Gewaltproblematik suche, sagt der Porzer Junge-Union-Vorsitzende Thorsten Frenser. Doch ein zeitlich und räumlich eingeschränktes Verbot könne auch nur eingeschränkt helfen. Es sei dringend an der Zeit, dass Staatsanwaltschaft und Gerichte den Tätern klare Grenzen aufzeigten und Strafen verhängten, „die weh tun“.

Die Linken-Fraktion in der Bezirksvertretung Kalk ist mit der neuen Maßnahme nicht einverstanden, sondern empfindet sie als Repression gegenüber Suchtbetroffenen. In einer Anfrage zur nächsten Sitzung fragt sie unter anderem nach der geplanten Dauer dieser Polizeipraxis und nach der Einrichtung eines Runden Tisches mit Beteiligung von Vision, SKM, Polizei und Bezirksvertretung. (bl)

 

Kölner Stadt-Anzeiger

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Eine Antwort

  1. Dawid sagt:

    „Einrichtung eines Runden Tisches mit Beteiligung von Vision, SKM, Polizei und Bezirksvertretung“

    Na das klingt doch mal gut! Hoffentlich wird dieser eingerichtet und führt zu fruchtbaren Ergebnissen.
    Super was Ihr da macht. Es muss immer jemanden geben, der sich solch einer problematik, auch aus der Sicht von Suchtkranken, annimmt.

    Auf ein erfolgreiches Jahr 2017 und weiter so!

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