„Fragile Lage“ am Neumarkt

 

„Fragile Lage“ am Neumarkt

POLIZEI Der Mann, der Karfreitag tot neben dem Kiosk lag

VON INGO HINZ UND BETTINA JANECEK

Er ist 57 Jahre alt geworden und hieß Bernd. Vielmehr ist über den Mann, den Mitarbeiter der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) am Karfreitag auf dem Neumarkt leblos gefunden haben, bislang nicht bekannt. Ein Blumenstrauß mit einem Holzschild, auf dem sein Name zu lesen ist, erinnert an den Mann, der dem Vernehmen nach wohnungslos und drogenabhängig war. Gegen 13.15 Uhr sahen Zeugen den regungslosen Mann in der Nähe des Kiosks neben der Bahnstation und alarmierten den Rettungsdienst. Ein Notarzt konnte nur noch den Tod feststellen. „Die gerichtsmedizinische Untersuchung zur Todesursache des Mannes ist noch nicht abgeschlossen“, sagte Polizeisprecher Christoph Schulte am Dienstag dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Erst dann werde sich ergeben, in welche Richtung die Beamten ihre Ermittlungen schwerpunktmäßig ausrichten. Auch die Frage einer möglichen Fremdeinwirkung könnte sich erst dadurch klären.

Zahl der Drogenopfer steigt

Nach Angaben von Anne Bunte, Leiterin des Gesundheitsamts, ist die Zahl der Drogenopfer in Köln zuletzt wieder gestiegen – von 42 im Jahr 2016 auf 52 in 2017. Der ungeschützte Konsum in der Öffentlichkeit ist auch aus Sicht von Bunte eines der Probleme, die dazu beitragen. Es resultiere unter anderem daraus, dass es zu wenig Konsumräume gebe. „Wir haben die aufsuchende Suchtbetreuung verstärkt, aber nur in Konsumräumen erhalten die Klienten notfalls medizinische Hilfe“, sagt sie. Bunte zufolge könnten mehr Hilfsangebote dazu beitragen, tragische Tode wie den an Karfreitag zu verhindern.

Sichtlich erschüttert zeigte sich am Dienstag Yasmin Aydin, die schon seit Jahren im Kiosk auf dem Neumarkt arbeitet und häufig einen Einblick in „die Szene vor Ort“ hat. „Bernd war ein ganz lieber und sehr freundlicher Mensch, der war häufig hier, und ich mochte ihn gern“, sagt Aydin. Sie hatte Mitleid mit dem Wohnungslosen und findet gut, dass ein Unbekannter die Blumen und das Kreuz zur Erinnerung an Bernd aufgestellt hat. Vom Sehen und durch kurze Wortwechsel, genauer kennt man sich am umtriebigen Neumarkt dann doch nicht – oder schweigt darüber.

Seinen Namen möchte auch ein KVB-Techniker nicht in der Zeitung lesen, der für das Unternehmen Aufzüge und Fahrstuhlschächte repariert, regelmäßig auch am Neumarkt und in der Umgebung. „Das ist mitunter krass, zu sehen, wie diese Leute in den Aufzügen Drogen nehmen“, sagt er. Nicht selten erschwere das ihm und seinen Kollegen auch die Arbeit – schließlich müssten sie die Junkies manchmal aus Fahrstühlen vertreiben oder deren Spuren entfernen.

Die Bürgerinitiative Zukunft Neumarkt, die gegen die Einrichtung des geplanten Drogenkon-sumraums an der Thieboldsgasse kämpft, hatte erst Gründonnerstag von einer deutlichen Entspannung der Situation auf dem Neumarkt gesprochen. Der hohe Kontrolldruck der letzten Monate durch Polizei, Ordnungsamt, private Sicherheitsdienste und KVB hätte dazu geführt, dass die Szene verdrängt worden sei, etwa an den Friesenplatz, die Ringe oder nach Mülheim. Nun reagierte Sprecher Guido Köhler umgehend. „Der Vorfall zeigt, wie fragil die Lage immer noch ist. Gerade an Feiertagen, wenn der Wachdienst der KVB nicht vor Ort ist, sammelt sich die Drogenszene sofort wieder rund um die U-Bahn-Haltestelle.“ Geschäftsleute und Anwohner des Neumarkts, die sich in der Initiative organisiert haben, befürchten, dass mit den wärmeren Temperaturen auch die Drogenszene an den Platz zurückkehrt.

Kölner Stadt-Anzeiger

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