Nacht der Lichter

 

Flyer „Nacht der Lichter“ Bonn

 

Redebeitrag von Marco Jesse zur „Nacht der Lichter“ der AIDS Initiative in Bonn

Es freut mich, dass ich heute hier stellvertretend für viele Drogengebrauchende Menschen zu Wort kommen darf.
Gelegenheiten wie die Nacht der Lichter sind wichtig. Neben dem gemeinsamen Gedenken an Freunde, Familienmitglieder, Partner machen sie uns auch bewusst, das wir nicht alleine sind. Viele Menschen mit den unterschiedlichsten persönlichen und sozialen Hintergründen führt das Thema HIV und AIDS zusammen. Das ist gut und wichtig den die Solidarität untereinander – das Verständnis füreinander – die Akzeptanz unterschiedlichster Lebenswelten und Wirklichkeiten machen uns stark und spenden in besonders schweren Momenten Mut und Kraft.
Bei den vielen anstehenden Schwierigkeiten vor denen wir alle, die mit und für Menschen arbeiten, die unsere Unterstützung benötigen – Angefangen bei Kürzungen in den öffentlichen Haushalten bis hin zu ideologischen Hemmnissen – können nur im Miteinander unsere Ziele erreichen.

Gerade für Menschen die oft an den Rand der „normalen“ Gesellschaft gedrängt leben – die von Stigmatisierung und Ausgrenzung betroffen sind – ist es umso wichtiger sich nicht untereinander zu entsolidarisieren. Solidarität gibt es aber nicht zum Nulltarif. Wir erreichen sie nur wenn wir unser Gegenüber ernst nehmen. Dazu gehört es, sich mit seinen Zielen, Wünschen und Lebensbildern auseinander zu setzen. Es reicht nicht bloße Toleranz – wir müssen uns, auch in den Dingen die uns unterscheiden – akzeptieren und dennoch solidarisch miteinander umgehen.

Einen Tag wie den Welt AIDS Tag sollten wir alle nutzen, um uns daran zu erinnern, dass eine Gesellschaft aus allen in ihr lebenden Menschen besteht -wie unterschiedlilch ihre Lebensstile auch sein mögen- und das Diskriminierung einzelner Teile sich schnell als Bumerang erweisen kann. Wenn wir zulassen das Heute die Schwächsten -und das sind Drogengebraucher oftmals- an den Rand und aus dem Bewußtsein gedrängt werden, dürfen wir uns Morgen nicht wundern, das wir die Unterstützung und Solidarität die wir uns wünschen und die wir benötigen nicht mehr bekommen. Das kann und darf sich eine morderne und tolerante Gesellschaft nicht erlauben.

Für den Junkie Bund Köln erinnert ein solcher Anlass auch immer besonders an den Verlust seines Gründers Bernd Lemke. Wie sehr er fehlt wird uns an einem Tag wie diesem schmerzhaft bewusst. Auch einer unserer Kollegen musste vor wenigen Monaten seine Lebensgefährtin zu Grabe tragen und erst vor wenigen Wochen verstarb eine unserer engagiertesten Mitarbeiterinnen.

Obwohl schon lange bekannt, ist das Repression und Strafverfolgung zu keiner Verbesserung in der Lebenssituation von Drogenkonsumenten führen, werden diese Instrumente noch immer als wichtiger Teil der Drogenpolitischen Maßnahmen angesehen. Obwohl auch 2006 fast 1300 Menschen Opfer dieser verfehlten Drogenpolitik wurden, ist eine Abkehr von der ‚Jagd auf Drogenkonsumenten’ weiter nichts spürbar. Die Abstinenzorientierung ist weiter das Maß aller Dinge und führt dazu, dass für innovative Ideen und Ansätze in der Drogenhilfe weiterhin kein wirklicher Platz ist.

Im Interesse Drogen konsumierender Menschen gibt es noch immer viele Defizite zu beseitigen:

  • Nach wie vor mangelt es an einem legalen Zugang zu Heroinvergabeprogrammen der diese Behandlungsform allen ermöglicht, die von ihr profitieren könnten.
  • Besonders für ältere Konsumenten fehlt es an angemessnen Betreuungs-, Pflege-, und Wohnprojekten in denen die speziellen Erfordernisse Berücksichtigung finden.
  • Von einer flächendeckenden Versorgung mit Drogenkonsumräumen sind wir noch immer weit entfernt.
  • In Haftanstalten ist eine effektive Prävention z.B. durch Spritzentauschprogramme die Ausnahme und nicht die Regel.
  • Eine Entkriminalisierung von Drogengebrauchern ist – Gerade nach der Entscheidung aus dem Justizministeriums NRW die Grenzwerte für geringe Mengen zu senken- wieder in weite Ferne gerückt.

Diese Dinge sind verantwortlich dafür, das HIV und Hepatitis C unter Usern noch immer eine so hohe Verbreitung finden. Es fehlt, besonders auf politischer Entscheidungsebene, an der Einsicht und der Bereitschaft die Erkenntnisse von Fachleuten und Betroffenen umzusetzen und Ideologien hinten an zu stellen.

Das Drogenabhängige unter Menschenunwürdigen Bedingungen konsumieren und leben, ist eine der Gründe dafür dass wir Heute hier gemeinsam Menschen gedenken, die an den Folgen dieser verfehlten Politik verstarben.
Als jemand der vor mehr als 20 Jahren begonnen hat, illegalisierte Drogen zu konsumieren und seit über 10 Jahren in der AIDS- und Drogenselbsthilfe aktiv ist, habe ich viel zu viele Menschen verloren. Menschen die Ziele, Träume und Wünsche für Ihre Zukunft und ihr Leben hatten, die sie nicht mehr erreichen konnten. Menschen, die trotz teilweise schlechter Lebensbedingungen, Lebensfreude empfunden und vermittelt haben. Menschen mit Visionen die ihren Gefühlen Ausdruck verliehen. Immer wieder und viel zu oft mit der Tatsache konfrontiert zu sein, dass Menschen zu früh sterben hinterlässt ein Gefühl von Wut und Ohnmacht. Das der größte Teil dieser Menschen noch leben könnten, wenn die Umstände andere gewesen wären, macht das Abschied nehmen nicht leichter.

Zur Erinnerung an viele, die hier ungenannt bleiben müssen aber nicht in Vergessenheit geraten sind, möchte ich Ihnen zum Abschluss den Text eines Bremer Drogengebrauchers vorlesen, der leider ebenfalls schon vor Jahren verstorben ist.

Gegangen

Du bist weggegangen
Einfach so abgehauen
Hast uns zurück gelassen!!!

Wir hatten doch noch Pläne
– wollten zum nächsten Stones Konzert
– nächste Woche die Feier auf der wir eingeladen sind
– und so viele andere Sachen

Was fällt Dir eigentlich ein
Wie kannst Du es Dir so leicht machen
Und uns so schwer

Wir vermissen Dich
Die Lebensfreude, die selbstlose Hilfe und Freundschaft
Werden wir nicht vergessen

(Manni Bröder)

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Eine Antwort

  1. Mathias von JES Bi sagt:

    Kurz und bündig: Passende Worte, Marco!

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