Drogenszene hat sich verlagert

 

Probleme durch verstärkten Handel mit Rauschgift in den Stadtteilen – Bei Diskussion Hilfe statt Strafe für Süchtige verlangt

1996-03-21-rundschau-drogen.jpgChorweiler. Für eine Wende in der Drogenpolitik sprachen sich die Fraktionssprecherin der Bündnisgrünen im Bundestag, Kerstin Müller, und Bernd Lemke vom „Junkie Bund Köln“ in Chorweiler aus. Gemeinsam mit Ratsmitglied Ossi Helling (Grüne) und Bernward Bodden, Sprecher der „Vereinigung Kritischer Polizisten“, erörterten sie im „Cafe Piano“ die Situation in Köln. Die Zahl der Drogenabhängigen in der Stadt bezifferten die Gesprächsteilnehmer auf rund 7000 Personen und wiesen auf ein Problem hin: „Kurz vor der Kommunalwahl 1994 hat die Polizei die Drogenszene am Neumarkt zerschlagen. Hier trafen sich täglich 300 bis 400 Heroinabhängige“, erklärte Bernd Lemke. Doch die Problematik sei nur verlagert worden, die Abhängigen und Dealer wichen in die Stadtteile aus. „Besonders stark ist Chorweiler betroffen. Hier floriert der Handel“, so Lemke, der die Gefahr auf den Punkt brachte: „Leute, die clean sind, wußten vor 1994, wo sie nicht hingehen durften. Heute ist die Szene überall.“

Weitere Zentren des Drogenhandels haben sich, laut Lemke, in Holweide, Buchheim, Kalk und rund um den Hauptbahnhof etabliert „Seit der Vertreibung ist die Situation brisanter denn je.“ Für Abhängige, die aus dem Teufelskreis ausbrechen wollen, gebe es zu wenig Anlauf stellen und nur 450 Plätze für eine Behandlung mit dem Drogen-Ersatzmittel Methadon. „Dabei werden mindestens 700 Plätze gebraucht ”” und die hat Oberbürgermeister Burger vor der Wahl auch versprochen“, erinnerte sich Ossi Helling.
Es sei ein Irrsinn zu glauben, daß der Staat durch Strafandrohung irgendeinen Fixer von der Sucht abbringen kann, zog der-„kritische Polizist“ Bernward Bodden klar Stellung. „Ziel muß es sein, süchtige Menschen aus der Illegalität herauszubekommen:“ Einen Ansatz, den auch Kerstin Müller bundesweit verfolgen will: Regionale Projekte seien zu verfolgen. Besonders die Stadt Frankfurt habe Erfolge mit ihrer Politik, erst Sozialangebote zu schaffen und dann sanft die Szene aufzulösen. Ein Modell sei zum Beispiel der Vorschlag, daß Ärzte Heroin kontrolliert an Süchtige abgeben.
900 Tonnen Kokain, 640 Tonnen Heroin, 3200 Tonnen Cannabis werden nach Auskunft von Bernward Bodden jährlich in Europa auf den Markt gebracht Entsprechend gering sei in diesem Zusammenhang das Erfolgserlebnis für einen Polizisten, wenn er in Köln einen Dealer mit wenigen Gramm Rauschgift erwischt Die Drogenexperten forderten unter anderem eine verstärkte Aufklärung über Drogen in der Diskotheken-Szene.

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